© Konrad August
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Jeden Tag Sonntag – Premieren-Skitour der DAV-Sektion Göttingen zur Zufallhütte im Martelltal

Tourenbericht über die Skitourenexkursion im März 2025

01.10.2025

Mit einer bunt gemischten Truppe aus jung und alt, erfahren und unerfahren, ehrgeizig und genussorientiert brach die DAV-Sektion Göttingen zu ihrer ersten geführten Skitour ins Martelltal auf. Das Ziel: die legendäre Zufallhütte (2.265 m), ein Klassiker unter den Stützpunkten für Skitouren in der Ortlergruppe. Für Hans und Konrad, die beiden Skitourentrainer der Sektion, war es die erste geführte Tour. Eine Woche voller Abenteuer, Schweiß, unerwarteter Herausforderungen und Skitourenschuh-Dramen nahm ihren Lauf.

Von Christoph Wedmann

Anreise und erste Eindrücke

Stephan und Michael reisten eigenständig an, nachdem sie sich in Schruns noch mit alpinem Skifahren warmgefahren hatten, während Chrissi und David zuvor die Berge rund um Innsbruck erkundeten. Der Rest der Gruppe (Konrad, Hans, Camis, Doro und Volker) brach bereits früh um sechs Uhr morgens in Göttingen auf und erreichte gegen 15 Uhr das Martelltal. Nach einem kurzen Aufstieg zur Zufallhütte wurden alle mit einem herzhaften Abendessen belohnt – besonders David, der mit seinen zwei Metern Körpergröße schnell als „Nachschlag-Kandidat“ ausgemacht wurde. Schließlich musste auch die Küche ihren Dienst leisten, und niemand wurde hungrig ins Bett geschickt – vor allem David nicht. Die Mischung aus abenteuerlustigen Ankömmlingen und erfahreneren Tourengehern ließ die Gruppe von Anfang an zu einer harmonischen Einheit verschmelzen, die sich von den bevorstehenden Herausforderungen nicht abschrecken ließ.

 

Tag 1: Eisseespitze – Der Wind als Spielverderber

Die Eisseespitze (3.230 m) ist eine beliebte Skitour im Martelltal, die normalerweise einen herrlichen Blick auf Ortler, Monte Cevedale und die Zufallspitzen bietet. Doch bereits auf 2.700 m zwang uns starker Wind zur Umkehr. Das Wetter zeigte sich von seiner rauen Seite, was den ersten Tag zu einer echten Herausforderung machte – eine Erinnerung daran, wie schnell sich die Bedingungen in den Bergen ändern können. Der entschädigende Teil war jedoch die Abfahrt: Bester Pulverschnee, der von den Teilnehmern mit großer Begeisterung genossen wurde. Volker, der sich als passionierter Schnäppchenjäger rühmte, musste jedoch erkennen, dass seine 40-Euro-Skitourenschuhe weniger ein Schnäppchen als vielmehr eine Blasenfabrik waren. Am Nachmittag stand eine LVS-Übung auf dem Programm, die nicht nur die praktische Seite des Skitourengehens betonte, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl der Gruppe stärkte. Besonders bemerkenswert war Stephans Resümee des Tages: „Hier hat die Scheiße angefangen und hier hört sie auf!“ erklärte er feierlich und kündigte an, dass dies seine letzte Skitour gewesen sei. Doch wie sich zeigen sollte, war dieser Entschluss noch nicht in Stein gemeißelt.

 

Tag 2: Köllkuppe – Ein Gipfel, zwei Wege

Die Köllkuppe (3.332 m) ist ein Klassiker in der Ortlergruppe und bietet eine abwechslungsreiche Skitour mit einem herausfordernden letzten Anstieg. Das Wetter war besser, doch im finalen Gipfelhang teilte sich die Route: rechts über den flacheren Gletscheranstieg mit Ski bis zur Scharte oder links über den steileren Hang mit den letzten Metern zu Fuß in über 35° steilem Gelände. Zunächst probierten wir die rechte Variante, mussten jedoch feststellen, dass der finale Gipfelgrat zu eisig und ausgesetzt war. So entschieden wir uns für die linke, steilere Route, was den Teilnehmern nicht nur körperlich, sondern auch mental einiges abverlangte.

Volker und Michael kehrten nach dem ersten Gipfelversuch frühzeitig um und schwebten mit Engelsgleiten ins Tal – sicherlich beflügelt von der Aussicht auf warme Stuben und dicke Socken. Für den Rest der Gruppe wurde es spannend: Die letzten Meter - ab dem Skidepot zu Fuß - verlangten volle Konzentration. David konnte dabei seine Höhenangst überwinden. Der Gipfelblick über den Wolken ließ den Anstieg vergessen, doch das Wetter zog leider zu, was die Abfahrt herausfordernd machte.

 

Tag 3: Madritschjoch – Stephan trotzt allen Zweifeln

Das Madritschjoch (3.123 m) ist ein wichtiger Übergang zwischen dem Martelltal und Sulden und bietet eine meist sichere und lawinengünstige Tour. Trotz unsicherem Wetter nahmen wir es in Angriff. Stephan, der ja eigentlich seine letzte Tour angekündigt hatte, war doch noch einmal dabei – ein Beispiel für die unerwartete Wendigkeit und Entschlossenheit der Gruppe. Die Gruppe passte sich seinem Tempo an, doch Volker und Michael entschieden sich irgendwann, eigenständig vorauszugehen. Mit jeder Pause kam die Frage: „Stephan, willst du nicht doch umdrehen?“ Doch er blieb stur, und schließlich erreichte, dank Durchhaltevermögen und Gruppenzusammenhalt auch er das Ziel.Am Nachmittag stand für einige der Gruppe ein wohlverdienter Saunagang an – ein Segen für geschundene Muskeln, aber auch eine Gelegenheit, die Touren der letzten Tage noch einmal in Ruhe zu reflektieren und die Gemeinschaft zu stärken.

 

Tag 4: Madritschspitze – Schneesturm und Peeling fürs Gesicht

Die Madritschspitze (3.265 m) ist eine lohnende Tour mit fantastischem Blick auf die Ortlergruppe – zumindest, wenn das Wetter mitspielt. Stephan genehmigte sich einen wohlverdienten Ruhetag, während der Rest der Gruppe den Gipfel in Angriff nahm. Je höher wir dabei stiegen, desto ungemütlicher wurde es: Schneesturm, null Sicht und ein Wind, der das Gesicht mit Schnee wie ein Sandstrahler bearbeitete. Trotz dieser extremen Bedingungen blieb die Gruppe fokussiert und zeigte volle Entschlossenheit. Konrad sorgte mit klaren Sicherheitsabständen dafür, dass niemand verloren ging. Oben angekommen, blieb uns die grandiose Aussicht auf Ortler, Cevedale und Königsspitze leider verwehrt, aber das Gefühl, sich den Elementen erfolgreich entgegenzustellen, ließ alle erahnen, was in den Bergen möglich ist, wenn man als Team zusammenarbeitet. Die Abfahrt war technisch anspruchsvoll, bot aber grandiosen Schnee, und das Gefühl, den Gewalten der Natur getrotzt zu haben, machte diesen Tag zu einem Höhepunkt. Am Abend gab es eine Reflexionsrunde, in der Hans und Konrad für ihre ersten geführten Touren reichlich Lob erhielten. Ihre ruhige Führung und positive Einstellung hatten viel dazu beigetragen, die Gruppe bei Laune zu halten.

 

Tag 5: Abschlusstour und kratzige Erinnerungen

Zum Abschluss unternahmen wir vor der Rückreise noch eine kleinere Tour in Richtung Vertainen (3.049 m). Das Wetter spielte diesmal mit, doch die Schneeauflage war dünn. Wir sammelten nicht nur Eindrücke, sondern auch Kratzer in unseren Skiern – eine Erinnerung daran, dass nicht jede Tour perfekt verläuft, aber jede auf ihre eigene Weise unvergesslich bleibt. Stephan verzichtete auf den Aufstieg und schloss sich der Gruppe bei der späteren Abfahrt zum Parkplatz wieder an. Gegen 14 Uhr ging es schließlich zurück nach Hause, doch nicht ohne einen kleinen Abschiedsgeschenk-Moment: Hans und Konrad erhielten von der Gruppe ein T-Shirt und eine Cap der Zufallhütte – ein Zeichen der Dankbarkeit für ihre souveräne Führung, die die Gruppe sicher durch diese abwechslungsreiche und ereignisreiche Woche geleitet hatte.

 

Fazit: Eine unvergessliche Woche

Die Premieren-Skitourenreise der DAV-Sektion Göttingen war ein voller Erfolg. Vom ersten Gipfel bis zur letzten Abfahrt zeigte sich: Skitourengehen ist nicht nur eine sportliche Herausforderung, sondern auch eine Reise voller Humor, unerwarteter Wendungen (nicht nur skifahrerisch) und wertvoller Begegnungen. Ob jung oder alt, erfahrener Skibergsteiger oder blutiger Anfänger – alle fanden ihren Platz in dieser Gruppe. Inmitten von Herausforderungen, wechselnden Wetterbedingungen und persönlichen Höhepunkten wurde deutlich: Es geht nicht nur um den Gipfel, sondern auch um die Erlebnisse und das Miteinander. Während sich nun alle wieder an ihren Arbeitsalltag gewöhnen müssen, bleibt für die Rentner unter uns weiterhin jeder Tag Sonntag. Und vielleicht sieht man Stephan ja doch noch einmal auf Ski…