© DAV Sektion Göttingen M. Vietze
© DAV Sektion Göttingen M. Vietze

Ausbildungswoche am Sustenpaß 2023

Alpine Ausbildung in Fels und Eis

30.07.2023

Für die alpine Ausbildung in Fels und Eis machten sich 6 Teilnehmer*innen Ende Juli unter der Leitung von Jan Schrewe und Michael Vietze auf den Weg zum Sustenpaß in der Schweiz. Dort sollten am Fuße des Steingletschers und auf dem Gletscher Grundkenntnisse über die Technik, Ausrüstung und das Verhalten auf Gletschern und leichten Felsen geübt werden.

Nachdem auf der Anreise der inzwischen schon fast übliche Stau vor dem Gotthard-Tunnel überwunden war, ein Auto kurz vor dem Ziel mit Kupplungsschaden liegen blieb, erreichten wir mit einiger Verzögerung unser Ziel, die Berglodge Steinalp (1.880 m) unterhalb des Sustenpasses.

Für den ersten Tag war eine Eingehtour zur Akklimatisierung auf den Fünffingerstock (2.994m) geplant. Bei bestem Wetter ging es direkt von unserer Unterkunft steil die Hänge hinauf auf die Suche nach unserem ersten Gletscher. Seine ersten mageren Ausläufer erreichten wir nach ca. 3-stündigem Aufstieg, konnten die Steigeisen anschnallen und erste Gehversuche auf dem Eis wagen; auch die vom Gletscher vor langer Zeit glattgeschliffenen Felsen, sog. Gletscherschliff, wurden zu Übungszwecken beklettert. Nicht ganz unerwartet reichte die Zeit nicht mehr für den Gipfelaufstieg. Leider verletzte sich eine Teilnehmerin durch einen Sturz auf dem Gletscher am Knie, was den Abstieg beschwerlich machte. Trotz alledem kamen wir rechtzeitig zum Abendessen zurück.

Der kommende Tag, der 1. August und Nationalfeiertag der Schweiz, begrüßte uns zunächst mit Regen, so dass wir den Vormittag für Theorie und Übungen zur Spaltenrettung in unserer Unterkunft nutzten. Gegen Mittag klarte es auf und so konnten wir noch eine Übungseinheit an den Felsen im nahegelegenen Klettergarten einlegen, die allerdings durch wieder einsetzenden Regen beendet wurde. Zur Feier des Nationaltages gab es am Abend ein festliches Menü im Hotel Steingletscher.

Gut vom Festmenü gestärkt konnten wir am Folgetag den Tierbergli-Klettersteig (Kat. B/C) angehen, um zur Tierberglihütte auf 2.762 m aufzusteigen. Glücklicherweise kam nach anfänglichem Regen die Sonne auf, die den Fels am Klettersteig trocknete; daher konnte der Aufstieg problemlos bewältigt werden- leider ohne unsere verletzte Teilnehmerin – und wir erreichten die Hütte am frühen Nachmittag.

Die Wettervorhersage für den kommenden Tag war gut, so dass wir uns entschlossen, einen Tag früher als geplant das Sustenhorn, den höchsten Berg mit 3.503 m im Gebiet, zu besteigen. Da hieß es, um 4 Uhr in der Früh aufzustehen und um 5.30 Uhr zu starten. Eine Herausforderung war, den Weg durch den anfangs spaltenreichen Gletscherbruch zu finden; später ging es zunächst im unkritischen Gelände über eine leicht ansteigende Gletscherfläche weiter bis zur steiler werdenden Gipfelflanke mit Blankeis im oberen Teil, wo wir teilweise mit Eisschrauben sicherten. Über Blockschutt erreichten wir gegen Mittag den inzwischen schneefreien Gipfel, auf dem wir die herrliche Rundumsicht bis ins Berner Oberland mit dem über 4.000 m hohen Finsteraarhorn genossen. Aus dem Tal kamen langsam Wolken auf, der die Sicht zunehmend einschränkte, und so machten wir uns langsam wieder auf den Rückweg zur Hütte.

Für den nächsten Tag war ab der Mittagszeit Gewitter angesagt, so dass wir uns entschieden, die Ausbildung zur Spaltenrettung am Gletscherabbruch nahe der Hütte durchzuführen. Dort rutschten die Teilnehmer*innen nach einiger Überwindung, selbstverständlich gesichert am Seil und zusätzlich mit einer Hintersicherung versehen, in die offenen Spalten, umgeben von Seracs und mit Tiefblicken ins Eis. Die Hintersicherung stellte sich in der Folge als dringend notwendig heraus, da es in der hier praktizierten Zweierseilschaft nahezu unmöglich war, einen Sturz des Seilersten in diesem Gelände sicher zu halten, eine einprägsame Erfahrung. Die Person, die am Seil dann sicher in der Spalte hing, hatte jedoch Einblicke in eine faszinierende Umgebung aus Eis. Mit Karabiner, Seilrolle oder Seilklemme (Microtraxion) konnte dann jeder/jede Teilnehmer*in den Rettungsablauf üben, eine anstrengende und anspruchsvolle Aufgabe. Abschließend wurden an einem schneebedeckten Hang außerhalb der Spaltenzone noch ein paar Rutschübungen gemacht mit dem Ziel, einen möglichen Sturz selbst mit dem Pickel abzubremsen und zu stoppen.

Wie vorhergesagt, trübte sich am frühen Nachmittag das Wetter langsam ein, und wir kehrten zurück zur Hütte, wo wir uns mit leckeren Kuchen oder einem kleinen Mittagessen verwöhnen ließen und uns von den Anstrengungen erholten. Zwar kam das angekündigte Gewitter nicht auf, jedoch rückte eine Kaltfront mit sinkenden Temperaturen bis 0° Celsius und Schneefall an.

Als Übungsaufgabe sollten die Teilnehmer*innen am letzten Tag eine Tour zum Vorder Tierberg (3.090 m) selbst planen und durchführen. Bei 20 cm Neuschnee und schlechter Sicht stellte sich das als eine besondere Herausforderung dar, da ja keinerlei Trittspuren vom Vortag mehr zu sehen waren und die Wegfindung damit deutlich erschwert war. So hatten die Seilersten, und jeder/jede durfte einmal vorangehen, die verantwortungsvolle Aufgabe, einen guten und sicheren Weg über den Gletscher und seine Spalten zu finden, die aber alle bravourös meisterten. Dabei war der verschneite Gletscherbruch unterhalb des Gipfels ein spezielles Schmankerl, das den einen oder anderen zaudern ließ. Entspannter war dann der Aufstieg zum Gipfel über das leicht verschneite felsige Blockgelände, schlussendlich kamen alle wohlbehalten auf den Gipfel. Der Rückweg gestaltete sich wegen der besseren Sicht und der gut erkennbaren Aufstiegsspur wieder einfacher. Gegen Mittag erreichten wir die Hütte, auf der wir uns erfrischten und noch eine Brotzeit zu uns nahmen, bevor wir uns über den z.T. ausgesetzten Normalweg durch die Felsen an den Abstieg machten.

Nach einer letzten Nacht in der Berglodge verabschiedete uns der Sustenpaß mit Regen. Leichten Herzens konnten wir so eine aufregende Woche in den Bergen abschließen und nach Hause fahren.

Michael Vietze